Kurzkommentar - 30. März 2020

Albert Wieland
---------------------
Krisenherd Europa*
Nach dem imperialistischen Sozialismus


Auferstehung oder Neuanfang

Die UdSSR ist sang- und klanglos untergegangen und die DDR wurde geradezu entsorgt. Die Belanglosigkeit liegt u.a. daran, dass man über die Auflösung der UdSSR wie einen Paravent den Sympathieträger „Gorbi“ gespannt hat und ansonsten frühzeitig betrauerte, dass der Sozialismus trotz Hilfe aus Westeuropa im neuen Russland zur Bedeutungslosigkeit verurteilt wurde. Im Falle der DDR wurde das Wiedervereinigungspathos reichlich ausgeteilt. In beiden Fällen fehlt etwas Entscheidendes. So etwas wie ein geistig-kultureller Großputz oder gar ein Tribunal haben nicht stattgefunden. Die linken Intellektuellen, die sich vor jeder Verantwortung sicher fühlen, beginnen sogar eine Rehabilitation des sozialistischen Alltags in der DDR. Aber von Anfang an war als harte Tatsache bekannt, dass ungeheure Mengen an Geld, Gold und Wertsachen in beiden Fällen spurlos mit den Verantwortlichen verschwanden. Den Opfer-Völkern des Sozialismus mit seiner Planwirtschaft, der zwangsläufigen Korruption, der Ausbeutung und den Arbeitslagern wurde bis heute der enteignete Reichtum nicht zurückerstattet und sogar die Genugtuung versagt, dass die Ausbeuter, die linientreuen Richter und die Helfershelfer der Unterdrückung in Gewerkschaften und Verwaltung zur Rechenschaft gezogen wurden. Vielleicht ist das der Grund, dass man von den Tätern bis heute nichts gehört hat, was auf Schuldbewusstsein oder gar Reue schließen ließe.

Da kaum jemand noch der Theorie von Karl Marx und Friedrich Engels mächtig ist, kann niemand den aus linker Sicht unglaublichen Skandal kommunistischer Multimilliardäre verstehen. Diese sind so reich, dass sie ihren Kindern sogar Schiffe kaufen können, damit sie als selbsternannte Seenotretter oder besser „Edelschleuser“ die Kontrolle über die Zuwanderung nach Europa untergraben. In die Rechtsordnung der demokratischen europäischen Staaten werden gewaltige Breschen geschlagen, durch die weitgehend ungeprüft einströmt, was anderwärts zu Unrecht verfolgt wird, nicht gelingt oder Verfolgung sogar mit Recht fürchten muss. Solche Moral, die in Gesetz und Recht keinen festen Kern mehr hat, ist nur noch Sentimentalität, welche im Wohlfahrtsstaat den Rechtsstaat paralysiert. Die Linken wissen, dass Geld nicht nur Reichtum, sondern unter den Bedingungen des Kapitalismus auch Macht ist. Die Entwicklung, dass die linken Eliten die Beute auf Finanzoligarchen verteilen und vernetzt ihr Anliegen einer neuen Weltordnung wieder betreiben, bleibt scheinbar unbemerkt. Sie sind sich ihrer Stärke so sicher, dass sie sich zutrauten, den Präsidenten der größten Militärmacht der Welt, des amerikanischen Volkes, an dessen wehrhaften Freiheitswillen sie gescheitert sind, aus dem Amt zu entfernen. Die interessantere Recherche wäre wohl eine Prüfung der Kartelle von Medienunternehmen, ihrer Gesellschafter und Kapitalzuflüsse, sowie ihrer nationalen und internationalen Verflechtungen. Wenn man dem heute modischen Zynismus folgen wollte, müsste man feststellen, dass der Westen in allen klassischen Bereichen den Kommunismus überwunden und trotzdem nicht besiegt hat.

Die BRD hat nicht nur in den Medien linke Eliten ausgebildet, deren Deutungshoheit so umfassend geworden ist, dass sogar sachliche Diskussionen mit linientreuen, aber substanzlosen Bekenntnissen enden. Versprechen werden aus vielen Gründen nicht mehr gehalten, Sinnsuche vom Lustgewinn abgelöst und Vernunft jedem dazu ernannten guten Zweck untergeordnet. Dies sind Zeitzeichen der Auflösung von Institutionen und Autorität. Daraus ergibt sich vor allem das Fehlen einer orientierenden geistigen Kraft, um zutreffende Diagnosen zu stellen. Das betrifft auch das Werk von Karl Marx, seine Ziele und Absichten und in einer destabilisierten Kultur Friedrich Nietzsche, der die Formen der Auflösung in dem von ihm über alles gefürchteten Nihilismus enden sah. Dies bedeutet u.a., dass wenn einer oder wenige Bürger Freiheits- oder Bürgerrechte geltend machen wollen, aber alle Macht und Autorität, bis auf die ideologisch verpflichtete aufgelöst ist, ist das hoffnungslos, weil unbeschützte Wenige sich nur im Rechtsstaat gegen die Vielen durchsetzen können. So bleibt nur die Zustimmung zu dem festgesetzten guten Zweck. Wie dies ohne eine Wiederaneignung der Geisteswissenschaft korrigiert werden könnte, bleiben die bürgerlichen Verbände und kirchlichen Einrichtungen schuldig, die sich stattdessen ohne nennenswerte Probleme als willige Helfer der linken Eliten rekrutieren lassen.

Da noch nicht einmal der Versuch unternommen wurde, Recht und Gesetz nach den totalitären Alpträumen wieder herzustellen, entfaltet die Parole: Sozialismus – gut gedacht, aber schlecht gemacht – ihre volle Wirkung. So wie es sich darstellt, ist das Unternehmen Fortschritt und Aufklärung eine Pannenserie. Besonders schlimm wird es, wenn sich der angestrebte gute Zweck nicht einstellen will, aber mit Macht herbeigezwungen werden soll. So bietet sich das Bild, dass die Fortschrittlichen wie Hamster im Laufrad rennen, aber an den Mängeln ihrer Theorie scheitern. Die bürgerlichen Kräfte gehen offensichtlich davon aus, dass wer nichts tut, auch keine Fehler machen kann. Diese aus unserem geistigen Erbe nicht zu rechtfertigende geistige Trägheit verdanken wir auch der Eigenschaft des Sozialstaates, der nicht nur die Armen und Hungrigen füttert, sondern auch die, die sehr gut für sich selbst sorgen könnten. Diese Trägheit und Verdumpfung macht die politische Mitte zu einer Spielwiese ideologischer Strategen.

Ruinen der Gegenwart

England und sein Austritt aus der Europa-Union beschäftigen nicht nur Europa. Weitgehend unbemerkt wurde dabei eine Lehrstunde in Demokratie erteilt. Die widerstreitenden Stellungnahmen wurden aufs äußerste belastet in einer demokratischen Streitkultur mit beispiellos leidenschaftlichem Engagement. Die „Zuschauer“ kommentierten das sarkastisch und mit Unverständnis. Besonders in Deutschland, effizienzorientiert und konsenssüchtig, fehlt dafür das Verständnis. Vielleicht liegt das daran, dass die Deutschen das, was die Engländer so leidenschaftlich engagiert – Freiheit und Selbstbestimmung – eigentlich schon abgeschrieben haben. Die Engländer wollen nicht aus Brüssel von sozialistisch dominierten Beschlussgremien regiert werden, sondern selbst über ihr Schicksal entscheiden. Falls der Austritt einigermaßen geordnet gelingt, wäre das nach Margret Thatcher die zweite erfolgreiche Abwehr eines Versuchs, in Großbritannien Selbstbestimmung und Freiheit dem Sozialismus zu unterwerfen. Die meisten Abwendungen vom Sozialismus geschahen nicht wie in Großbritannien zur Erhaltung von Freiheit und Selbstbestimmung, sondern durch den von Karl Marx so bezeichneten Zustand, in dem Völker nichts mehr zu verlieren haben als ihre Ketten, um notgedrungen den verfemten Kapitalismus zu akzeptieren, der sich gegenüber der sozialistischen Planwirtschaft als der leistungsfähigere Versorger herausstellte. Das wird in Zukunft schwierig werden, da in der sogenannten europäischen Banken- und Finanzkrise die Macht des Kapitalismus gebrochen und die Finanzwirtschaft in den staatlichen Griff genommen wurde. Nicht zuletzt auch durch ungewöhnlich zahlreiche Prozesse gegen Vorstände und Direktoren, sogar von international operierenden Instituten, kamen Banken in Verruf. Mit der staatlich verordneten Niedrigzinspolitik, durch die Geld wenig oder kein Geld verdienen darf, gingen viele Arbeitsplätze verloren bzw. wurden nicht durch Einstellungen besetzt. Das hielt bisher niemand für erwähnenswert. Das gleiche gilt auch für die Pflicht, dass Banken die Einlagen ihrer Kunden, die nicht am Kreislauf teilnehmen, mit Negativzinsen, also einer Art Depotgebühr, belasten müssen. Direkte staatliche Einmischung in die Wirtschaft hält der Markt aber auf Dauer nicht aus, wie aktuelle Beispiele belegen.

Von den linken Eliten in unserem Land, die die Medien kontrollieren, wurde dagegen jüngst die sog. friedliche Revolution am Ende der DDR überschwänglich gefeiert. Die „friedliche Revolution“ hat uns zweifellos Blutvergießen und Zerstörung erspart. Dieses Eigenlob ist jedoch unverdient, da Lenin bereits festgestellt hat, dass die Deutschen ohnehin keine Revolution machen können. Er kommentierte das ironisch, dass, wenn die Revolution in einem Bahnhof beginnen sollte, sie alle brav eine Bahnsteigkarte lösen würden. Bei näherem Hinsehen ist diese „friedliche Revolution“ aber doch bemerkenswert, denn ein gescheitertes Unterdrückerregime tauchte unbehelligt, unter Mitnahme von immenser Beute ab und verschwand in dem Neuanfang der Wiedervereinigung. Den Wiederaufbau der ruinierten DDR finanzieren die bundesrepublikanischen Steuerzahler, bis die Wirtschaft der ehemaligen DDR Schritt aufnehmen konnte. Die intakten Strukturen der ideologischen DDR-Herrschaft waren den westdeutschen sozialistischen Kadern willkommen und errangen mit ihnen gemeinsam die Umwandlung des teilwiedervereinigten Deutschland in eine de facto sozialistische Republik, die mit der Verfassung und dem Rechtsstaat der BRD nur noch formal zu tun hat. Diese „friedliche Revolution“ verhinderte, dass die Täter und Demagogen zur Rechenschaft gezogen und die Ideologie nach Möglichkeit, wie in Russland, verboten wurde. Nachdem der Blick geschärft ist, macht es keine große Mühe zu begreifen, dass dem christlichen Abendland, an dessen Spitze god (mittelgotisch für das Gute an sich) steht, ein rivalisierender Gegenentwurf mit Weltherrschaftsanspruch gegenübersteht. Dieser Gegenentwurf trat unter vielen Namen auf, aber als Sozialismus und Kommunismus wurde er Weltmacht und hinterließ überall Trümmer seines Scheiterns, das in der sozialistischen Theorie selbst seine Ursache hat. Seine bisherigen Attacken werden in der bürgerlichen Politik als idealistische Übertreibungen verstanden und deshalb nicht begriffen. In diesem Gegenentwurf findet die dem Menschen immer noch innewohnende vorkultivierte Natur, wie in der Sophistik einen Mentor, der sie im Namen von Befreiung als Entpflichtung instrumentalisiert.

Vom Nihilismus zum Chaos

Diese erste Natur des Menschen wurde mit Religion und auch Kunst „veredelt“, um das Zusammenleben erträglicher und friedlicher zu machen. Mit der Religion bekamen die Menschen Anschluss an den Ursprung, das Original. Darin liegt auch die unüberbrückbare Differenz unserer Kultur zu totalitären Ideologien. Diese begründen sich mit Befürchtungen drohender Katastrophen, sind also ausgedacht, grundlos und wahnhaft. Sobald Formen ersatzreligiöser Ideologien und Religion auf Dauer nebeneinander bestehen können, tritt früher oder später der Zustand ein, der bei Nietzsche Nihilismus genannt wird. Eine der Folgen ist, dass durch den Verlust einer Verbindung zum Ursprung nichts Neues mehr geschieht und nur bereits Bekanntes wiederholt wird. So hat z.B. die Klima-Ideologie ihre Pythia aus Schweden wie im Orakel von Delphi, deren Orakelsprüche ihr von den Priestern hinter dem Thron in den Mund – und den zahlenden Gläubigen dann ausgelegt werden. Kaschiert wird die Aktivität dieses hedonistischen, feministischen, prinzipiell mit dem Vorwand von Freiheit rebellischen Gegenentwurfs mit der These „zurück zur Natur“, weil da angeblich alles besser sei. Aus den genannten Gründen war auch die Frankfurter Schule keine Kulturrevolution, da sie bis heute keine stärkere oder höhere Kultur zur Macht brachte, sondern nur mit revolutionärem Pathos Ab- und Rückbau betrieb. Bei Jugendlichen bewirkt diese Strategie oft Mitläufertum oder Dekadenz. Die Jugendlichen der roten Garden Maos wurden in China deshalb „Hundemenschen“ genannt, weil sie willig unter dem Baum bellten, auf dem, wie man ihnen gesagt hatte, die Katze säße.

Wer weiter denkt als bis zum nächsten Lustgewinn sollte wissen, dass die Rückkehr zur vorkultivierten Natur des Menschen nur sein Denken betrifft, nicht aber seine modernen Waffen, Werkzeuge und Hilfsmittel, wie die großen Katastrophen des 20. Jahrhunderts vor Augen führen. Ohne eine Wiederherstellung der Verbindung zum Ursprung bzw. dem Original sind deshalb alle noch so wohlmeinenden Bemühungen zum Scheitern verurteilt, und bereits mehrfach Gescheitertes muss wiederholt werden. Der Wille zur Macht bedeutet, dass im Nihilismus nur herrschen kann, wer über die Macht und die Mittel verfügt, alle anderen auch gegen ihren Willen zu zwingen. Der Übergang von Nihilismus in Anarchie ist fließend und kann sich hinziehen. Das entstehende Chaos können Menschen nur begrenzt aushalten. Deswegen kann eine Macht, die anbietet, diese Zustände zu beenden, das unter Umständen sogar als Wahlsieger tun. Entscheidend ist, dass der angebliche „Retter“ die Macht nicht mehr zurückgibt, sondern ausbaut zu einem totalitären System. Hier liegt auch der Unterschied zwischen dem imperialistischen Sozialismus und dem sog. kulturrevolutionären. Der imperialistische ließ die Institutionen bestehen und im Dienste des Sozialismus sogar verstärkt weiterarbeiten. Der kulturrevolutionäre Sozialismus dagegen löst die Institutionen und Autoritäten, außer der eigenen, auf und bestimmt was die Menschen eigentlich sehen, hören und lesen und was das zu bedeuten hat. Am Ende steht die totale Herrschaft über Wahrnehmung und Artikulation, die totale Kontrolle über den Menschen. Die Organisation von Menschen nach Religion, Kultur, Rasse oder Gebiet sind nicht nur erfolgreiche Überlebensstrategien, sondern auch Ursachen für Streit, Vertreibung und Krieg. Deshalb wollen die Kulturrevolutionäre diese und alle anderen geschichtlich gewachsenen Strukturen auflösen, denn die Zugehörigkeit schließt die Anhänger ein und andere aus. Dieses Problem beschäftigte schon die Anarchisten im Umfeld der Oktoberrevolution. Aber auch der Dichter Novalis vertrat die Ansicht, dass einem Neuanfang eine „Anihilation von allem“ vorausgehen müsse. Diese gegenwärtig betriebene Auflösung aller Bindungen und Strukturen gründet also nicht in der französischen Philosophie des Destrukturalismus sondern in dem kulturrevolutionären Sozialismus der Frankfurter Schule, der Klimawandelbewegung und der Flüchtlingskrise. Das Herausbrechen der Menschen aus allen Strukturen und Bindungen soll die Gesellschaft in ihre Elemente zerlegen, die, da homogen, beliebig zu kombinieren sind, ohne dass Abstoßungsreaktionen, Vertreibungen oder Krieg zu befürchten seien, so die Theorie. Diese Auflösung aller Verbindungen und Verpflichtungen, um die Bausteine der Gesellungsformen freizulegen führt zur Vereinzelung des Menschen auf die er nicht angelegt ist, wie auch Erfahrungen im Strafvollzug zeigen. Mit einem Gelingen der Anarchisierung und erfolgreichen Vereinzelung würde das Problem der bereits entwurzelten Flüchtlinge zu lösen seien, soweit wieder die Theorie. Da aber die wenigsten Menschen am Horizont die Morgenröte einer besseren Welt aufgehen sehen, um sich dafür isolieren zu lassen, außer den unvermeidlichen Freiwilligen, erfahren die anderen massiven ideologischen Druck. Ab einem gewissen Fortschritt wird Gewaltanwendung wohl nicht zu umgehen sein, da es den Menschen an sich überhaupt nicht gibt sondern nur als Ausprägung wie z.B. als Franzose, Engländer, Syrer, Deutscher usw. Diese Konjunktiv gespickten Visionen sind wahnhaft und sollten von Menschen guten Willens verhindert werden, bevor die Anhänger zu den Waffen greifen, denn wie es weitergeht weiß man noch.

Ungeklärt bis heute ist, warum das vielfältige Scheitern der Aufbrüche dieses Gegenentwurfes nicht zur Abwendung geführt hat, sondern nur zu modifizierten Wiederholungen. Das geistige Ringen um Europa entscheidet sich demnach zwischen diesem Gegenentwurf und dem christlichen Abendland, das ohne Not zwar suspendiert wurde, aber wie ein gebrannter Tontopf die Form des Töpfers bewahrt. Der sogenannte „Kampf gegen Rechts“ dient der mobilisierenden Ablenkung und richtet sich im Kern gegen diese christliche Prägung. Die wenigen Alibi-Rechten, die vorgezeigt werden können, sind eigentlich Linke mit entgegengesetztem Vorzeichen, da sie ebenso gottlos mit fast gleichen Methoden vorgehen und wie diese das Heil in der Gewalt suchen. Die Entscheidung fällt also tatsächlich nicht zwischen rechtsradikaler und linksradikaler Ideologie, sondern zwischen Ideologie und einem möglichen Neuaufbruch des christlichen Abendlandes.

Die BRD ist ein signifikantes Beispiel dafür welche geistige Unfreiheit in Wort und Schrift entsteht, wenn man nicht begreift, was „der Marsch durch die Institutionen“ für die Politik und Kultur bedeutet. Die Institutionen, als zusammenfassende Überorganisationen werden zielstrebig in ihren Gremien zuerst gelähmt und dann mit Druck, Verleumdung und dem Vernehmen nach auch mit Bestechung mit Mehrheiten versehen, die das beschließen, was die Anhänger des Gegenentwurfs wollen, oder zumindest daran gehindert, Erforderliches dagegen in die Wege zu leiten. Auf diesem Wege der Steuerung der Beschlussorgane von Institutionen können ganze Völker beherrscht werden, ohne dass man sie zuvor erobern müsste, wie Adolf Hitler bewiesen hat. Diese Strategie misslang in der UNO wegen der vielen Mitglieder mit gelebter Religion; in der EU dagegen gelang sie perfekt.

Den umtriebigen Ideologen stehen bürgerliche Politiker gegenüber, die in die Parteien gehen wie Arbeiter in ihren Betrieb. Diese Auffassung von Politik ist eine der Ursachen, weshalb bürgerliche Parteien und Regierungen sich mit den Angriffen des Gegenentwurfs so schwer tun. Wenn dann die bürgerliche Mitte ihre Geheimwaffe einsetzt, die kumpelhafte Verbrüderung, die die Unvereinbarkeit von Kultur und Ideologie ignoriert, neutralisiert sie sich selbst. Damit überlässt sie ganze Generationen von Jugendlichen gesteuerten Kampagnen, denn für Kultur lohnt es sich offensichtlich nicht, sich zu engagieren.

Die Rückzugsgefechte und Niederlagen der bürgerlichen Politik sind weitgehend dieser weltfremden geistig-kulturellen Verfassung geschuldet, die diese fundamentalen Widersprüche nicht zur Kenntnis nimmt. Unter dem Einfluss der Anhänger des Gegenentwurfs finden Theologie und Philosophie kaum noch Pflege und Anwendung, sondern liegen verschüttet unter der moralisierenden Propaganda. Die Trommelfeuer-Berichterstattung über die Entwicklung von Klimawandel zur Klimakatastrophe und die Frontberichterstattung vom „Kampf gegen Rechts“ verdecken die Umwandlung der BRD in eine de facto sozialistische Republik nur noch ungenügend. Wie vom Machtantritt der Nationalsozialisten 1933 die Verfassung der Weimarer Republik, wurde das Grundgesetz durch diese Entwicklung zur Makulatur. Nach 1933 gab es keinen Weg zurück und nur die Katharsis 1945 beendete den Wahnsinn. Falls der erneute Rückfall in Ideologie anders enden könnte, wäre das mehr als wir erhoffen könnten.

Perspektiven

Friedrich Schiller stellte in seinen ästhetischen Briefen fest, dass in der Theologie alles wahr ist, was heilig ist und in der Philosophie alles heilig ist, was wahr ist. Die Abkehr von dieser Substanz des christlichen Abendlandes kann nicht ohne Folgen bleiben, denn die Intellektuellen wissen sehr wohl, wie moralistisch aufgeputschte Menschen mit Einheitsgesinnung in Zusammenrottung Regime an die Macht bringen können, die bereits mehrfach nicht nur Europa in Schutt und Asche legten und Millionen Menschen umbrachten. Sobald Menschengruppen mit einem Feindbild gebrandmarkt und ausgeschlossen werden, sind diese wie Freiwild zur Jagd freigegeben. Ihre Menschenwürde wird nicht nur nicht geschützt, sondern wie im aktuellen Fall durch einen „unheiligen Dichterwettbewerb“ zerstört, in dem es darum geht, wer sich die schlimmsten Anklagen und Unterstellungen gegen die einzige Partei der BRD die daran festhält, dass die Deutschen ein Volk sind und nicht aufgelöst werden müssen, ausdenken kann und am eifrigsten verbreitet. Dieser Konstellation folgten bisher stets Exzesse von Willkür, Unterdrückung und Mord. Zuletzt ließ Mao Tse-tung seine jugendlichen „Roten Garden“ zur „Kulturrevolution“ auf das chinesische Volk los. 40 Millionen Tote, bis heute noch nicht bekannt gegebene Millionen in Umerziehungslager eingesperrter Menschen und der Verlust unersetzlicher Kulturgüter waren am Ende zu beklagen. Die Kulturrevolutionäre können zwar vernichtend verurteilen und mit bombastischen Anklagen verfolgen, aber stumpfen Geist, träge Herzen und lahme Hände können sie nicht wieder lebendig machen.

Die Medien sind in Kartellen organisiert und werden von den linken Eliten gelenkt. Da sie auch Stellung nehmen zu dem was „zustimmungsfähig“ oder „ablehnungsbedürftig“ ist; also zu Gut und Böse, kündigt sich der Umschlag ins Totalitäre bereits an. Die so entstehende Macht ist nicht befristet und nicht kontrolliert, so dass einer durch Gesinnung definierten Nomenklatura ein exklusiver Weg zu Macht und Einfluss offen steht. Dieses fest etablierte System ist machtbewusst und reagiert aggressiv sogar gegen Gemeinden, Städte und Bundesländer, in denen sich Widerstand gegen die Indoktrination regt. Die Abwendung vom Erbe des Abendlandes zum Intellektualismus mit seinem Anspruch, nach seinen Vorstellungen die Welt besser machen zu können und sich dazu selbst in jeder Lage neu zu definieren, wird statt ideologisch als wissenschaftlich dargestellt. Damit wird seriöse wissenschaftliche Arbeit nicht in Frage gestellt, aber der abstrakte Intellektualismus sehr wohl. Die Ursachen der Dauerkrise der EU sind deshalb nicht in der Macht von Rechten oder von Kapitalisten begründet, sondern Folge dieser Abwendung vom europäisch-abendländischen Geist. Die logische Konsequenz der Forderung nach einer Umkehr hat also mit Nostalgie nichts zu tun, da ja auch ein Autofahrer nicht im Straßengraben weiterfährt, wenn er vom Weg abgekommen ist. Von dieser Einsicht sind wir noch entfernt, weil die Not noch nicht groß genug ist. Solange aber die totalitären Ideologen mit ihren Feindbildern ungehindert das Volk zerreißen und aufeinander hetzen können, hat es keine Zukunft.

Der Wirtschaftsnobelpreisträger Friedrich von Hayek – nach seiner Ablehnung der Planwirtschaft befragt – antwortete kurz und knapp damit, dass dafür nicht genügend Weisheit unter den Menschen sei. Gilt das nicht umsomehr für die Absicht, eine neue bessere Welt schaffen zu wollen? Falls anstelle von Überzeugungstätern sich Menschen guten Willens zusammenfänden und gesetzestreu die Demagogen arbeitslos machten, könnten Einigkeit und Recht vielleicht wieder Freiheit und Würde ermöglichen.


==========
© 2020 Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V., D-76467 Bietigheim/Baden

* Wiedergabe, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Gesellschaft für Kulturwissenschaft e.V.